Zu den Aufgaben des Türkisch-Deutschen Wirtschaftsinstituts gehört es, türkischstämmige Studierende und Alumni der Fakultät Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bremen zu unterstützen und zu vernetzen. Ebenfalls hat die Hochschule Bremen in der Fakultät Wirtschaftswissenschaften einen insgesamt hohen Anteil an Studierenden und Alumni mit Migrationshintergrund.
Darauf sind wir stolz, denn aus diesen Studierenden werden erfolgreiche Berufstätige. Aufgrund der aktuellen Debatte möchten wir aus vielen Erfolgsgeschichten einzelne beispielhaft nachzeichnen.
Diese Erfolgsgeschichten erzählen von Studierenden, die alle erfolgreich Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften unserer Hochschule studiert haben.
Mein Name ist Dilek, ich bin 42 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder. Seit meinem zweiten Lebensjahr lebe ich in Deutschland und besitze – ebenso wie meine Kinder – die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich habe Betriebswirtschaft studiert und arbeite in der Finanzbuchhaltung einer Steuerkanzlei in Bremen.
Die zunehmende Ausländer- und Islamfeindlichkeit in Deutschland bereitet mir große Sorgen. Medien und Politik befeuern diese Entwicklung, indem sie Migration oft mit Kriminalität in Verbindung bringen. Doch die Zahlen zeigen ein anderes Bild: Laut Bundeskriminalamt (BKA) gab es 2022 insgesamt 5.628.584 Straftaten. 69,3 % der Tatverdächtigen waren Deutsche, 30,7 % Nichtdeutsche. Zuwanderer machten nur 7,4 % der Tatverdächtigen aus, obwohl ihr Bevölkerungsanteil bei 3,7 % lag. (siehe auch die neueste Untersuchung des IFO Instituts). Trotzdem wird das Bild vermittelt, als seien alle Ausländer Straftäter.
Ich verurteile jede Straftat, egal von wem sie begangen wird. Doch ich muss mich nicht für andere rechtfertigen – Deutsche tun das schließlich auch nicht für deutsche Täter. Jeder trägt Verantwortung für seine eigenen Taten, nicht für die seiner Landsleute.
Ich frage mich oft, was passiert, wenn eine Partei an die Macht kommt, die offen Remigration fordert: Muss ich mit meiner Familie Deutschland verlassen? Aber wohin? Meine Kinder sind hier geboren, haben hier ihre Freunde, Bekannte – kurz unser ganzes Leben ist hier – Deutschland ist unsere Heimat.
Wir sind nicht nur Teil der Gesellschaft – wir gestalten sie aktiv mit
Mein Name ist Nilay und ich habe 2021 meinen Bachelor an der Hochschule Bremen erfolgreich abgeschlossen. Bildung war für mich schon immer ein Schlüssel zu neuen Möglichkeiten, weshalb ich neben meiner unternehmerischen Tätigkeit weiterhin an der HSB einen Master absolviere.
Vor zwei Jahren habe ich mein eigenes Vertriebsunternehmen gegründet – mit dem klaren Ziel, nicht nur wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, sondern auch anderen ambitionierten Menschen eine Perspektive zu bieten. Heute sind bereits 300 Unternehmenszugehörige Teil unseres Teams, und gemeinsam gestalten wir die Zukunft des Vertriebs im Bereich erneuerbare Energie.
Als jemand mit Migrationshintergrund weiß ich, wie wichtig es ist, Chancen zu ergreifen und Vorbilder zu haben. Deshalb engagiere ich mich beim türkisch-deutschen Wirtschaftsinstitut, um Brücken zu bauen und sichtbar zu machen, dass Herkunft niemals eine Grenze sein darf.
Zwischen zwei Welten
Mit der Einwanderung nach Bremen begann eine Reise, die von Anpassung, Bildung und Entschlossenheit geprägt war. Nach einem ersten Studium in Istanbul entschied ich mich für ein Zweitstudium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen – ein entscheidender Schritt für meine berufliche und gesellschaftliche Integration. Seit 16 Jahren begleite ich Unternehmen als IT-Berater und Projektmanager, stets an der Schnittstelle zwischen Technologie und Geschäftsstrategie. Bremen wurde zur Heimat, meine in Bremen gegründete Familie zum Anker. Als Alumni sind die Hochschule Bremen und das TD-WIN für mich mehr als Netzwerke – sie sind Brücken, die Zugehörigkeit und Verantwortung verbinden. Neben der nachhaltigen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern bleibt angesichts der geführten Migrationsdebatten weiterhin die Frage: "Wie sichern wir Chancengleichheit nachhaltig?".
Wissen wächst dort, wo Kulturen sich begegnen
Mein Name ist Nadia und ich habe an der Hochschule Bremen den Studiengang ESWV studiert. Durch mein Studium hatte ich die Möglichkeit, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Diese Erfahrungen– unter anderem in Australien – haben mich geprägt. Besonders wichtig ist mir dabei eine diverse, offene Hochschulgemeinschaft, in der verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen und wir voneinander lernen können.
Seit mehr als fünf Jahren arbeite ich als Führungskraft im Marketing bei einem großen Unternehmen mit vielen Standorten. In meiner Position ist es für mich essenziell, dass Vielfalt nicht nur ein Schlagwort bleibt, sondern aktiv in die tägliche Arbeit integriert wird. Durch internationale Kooperationen und den engen Austausch mit Kolleg*innen aus verschiedenen Kulturen und Ländern erhalte ich wertvolle Perspektiven, die zur Innovation und erfolgreichen Umsetzung von Projekten beitragen. Diese Vielfalt zu fördern und zu nutzen, ist nicht nur ein Teil meines Führungsansatzes, sondern auch ein Schlüssel zum Unternehmenserfolg.
Als Kind tunesischer Eltern weiß ich, wie wertvoll Vielfalt ist – sei es im Studium, im Beruf oder in der Gesellschaft. Für mich steht fest: Erfolg entsteht dort, wo Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Ideen zusammenkommen. Deshalb engagiere ich mich beim türkisch-deutschen Wirtschaftsinstitut und bin seit der Gründung mit dabei. Der Austausch zwischen Kulturen ist für mich essenziell – besonders, wenn es um die Suche nach der eigenen Identität geht.
Die Vorstellung plötzlich nicht mehr als Teil dieser Gesellschaft gesehen zu werden, ist befremdlich
Ich wurde am 07. September 1979 in Bremen geboren und absolvierte ein Studium der Betriebswirtschaft an der Hochschule Bremen. Derzeit bin ich als Personalreferentin bei einem großen Hotelunternehmen mit unterschiedlichen Standorten tätig und bringe meine Fachkenntnisse im Bereich Personalwesen erfolgreich in das Unternehmen ein.
Mit großem Interesse verfolge ich die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Deutschland, insbesondere im Kontext der aktuellen Bundestagswahl und der Debatte um den Begriff der „Remigration“. Ich bin der Überzeugung, dass Integration als Chance und Bereicherung für die Gesellschaft verstanden werden sollte.
Ich frage mich oft, wenn über „Remigration“ diskutiert wird: Wohin sollen wir denn gehen? Ich bin hier geboren und aufgewachsen, genau wie viele andere mit Migrationshintergrund. Deutschland ist meine Heimat – hier habe ich meine Familie, meinen Beruf und mein soziales Umfeld.
Unsere Wurzeln mögen vielfältig sein, aber unsere Identität ist längst auch deutsch. Integration bedeutet nicht, seine Herkunft zu verleugnen, sondern Teil einer gemeinsamen Zukunft zu sein.
Wann bin ich eigentlich Deutscher?
Meine Großmutter kam im Rahmen des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei nach Bremen. Sie arbeitete durchweg bis zu ihrer Altersrente in drei Schichten bei Daimler-Benz in der Montage, um meinem Vater und meine Tante ernähren zu können. Wie viele Türkinnen und Türken wollte man nur ein paar Jahre bleiben, um dann wieder in „die Heimat“ zurückzukehren. Doch es kam dann doch anders: Mit fast 90 Jahren lebt meine Großmutter weiterhin in Deutschland und Bremen wurde unsere Heimat! Mein Vater, der in der Türkei geboren und im Kleinkindalter nach Deutschland kam, lernte als Jugendlicher meine deutsche Mutter kennen, beide heirateten und ich schreibe euch nun diese Zeilen.
Meinen beruflichen Werdegang startete ich mit einer Berufsausbildung und studierte anschließend an der Hochschule Bremen Betriebswirtschaftslehre. Seit rund 16 Jahren arbeite ich als Fach- und Führungskraft im Personalbereich für einen Bremer Konzern.
Die aktuelle politische Situation bereitet mir zunehmend Sorgen und macht mich oft nachdenklich. Mein ganzes Leben lang kam ich in verschiedenste Situationen, in denen ich mich nicht als „vollwertiger“ Deutscher fühlte, obwohl ich die deutsche Staatsbürgerschaft habe. Mir setzen deshalb diese spalterischen politischen Debatten, die aus meiner Sicht deutlich differenzierter geführt werden müssten, vermutlich mehr zu, als so manch anderem. Sie hinterlassen ein Gefühl von „So richtig gehörst Du ja nicht zu Deutschland“.
Wir hatten die wertvolle Chance doppelkulturig aufzuwachsen
Mein Name ist Bahar, ich bin 43 Jahre alt und in unserer schönen Stadt Bremen geboren. Im Jahr 2009 verließ ich die Hochschule Bremen und begann meinen Berufsweg.
Ich bin in einem großen internationalen Textilunternehmen als Department Managerin tätig und arbeite mit vielen Nationalitäten zusammen. Daher weiß ich, wie wichtig es ist, zwischen den unterschiedlichen Kulturen die richtige Balance zu schaffen. Auch in der heutigen Politik müsste dies gelingen.
Doch leider wird seit Jahren dasselbe Thema diskutiert, und wir liegen viele Schritte zurück, wenn es darum geht, den Weg zu einem echten Miteinander zu finden.
Wir sind keine „Migranten“! Alle Lebensabschnitte haben wir in Deutschland durchlebt. Wir gingen hier zur Schule und haben hier unsere Bildung erhalten. Jeder von uns arbeitet und leistet seinen individuellen Beitrag.
Wir sind Teil dieser Gesellschaft.